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Konfuziusinstitute Nachrichten
Bericht zum Gastvortrag „Das heutige Tibet“
21.06.2012, München


Wie sieht das Alltagsleben in Tibet aus? Was ist mit dem Schutz der Kultur? Was wird in einer tibetischen Schule gelehrt? … Obwohl viele sich für Tibet interessieren, ist es nicht für jeden möglich, selbst einmal nach Tibet zu reisen. Um Tibetinteressierte dennoch einen Einblick über die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft des heutigen Tibets zu geben, haben wir eine tibetische Expertengruppe aus der Region nach München eingeladen.

Die Gruppe besteht aus Herrn Jin Yuan, dem Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer der tibetischen Volksregierung; Herrn Jinmei Wangcuo, dem Direktor des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit der tibetischen Volksregierung; Herrn Prof. Dr. Banjue, dem Vize-Direktor des Instituts für Minoritätenforschung der tibetischen Akademie in Lhasa; Herrn Dr. Ciwang-Dengba, dem Ambulanzleiter des Tibetischen Krankenhauses in Lhasa; Herrn Ahnu, dem Vorsteher des Tongga-Dorfes in der Gemeinde Yangda des Kreises Duidongdeqing in Lhasa und Herrn Xiangqun Ren, dem Referatsleiter für Tibet in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit beim Zentralkomitee der KPCh in Beijing.

Zuerst hat Herr Prof. Dr. Banjue einen Vortrag über „Nomadic Customs and life in Tibet“ gehalten. In dem tibetischen Autonomen Gebiet arbeiten 76% der gesamten drei Millionen Bevölkerung in der Landwirtschaft und Viehzucht. Politik mit Schwerpunkt auf Bauern- und Hirtenwirtschaft ist deshalb von großer Bedeutung. Herr Prof. Dr. Banjue hat die Wohnpolitik, das Krankenversicherungssystem, ein Trinkwasserprojekt, Ausbildungsprogramme und verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut vorgestellt. Allein im Jahr 2009 sind 680 Millionen RMB von der Regierung subventioniert worden zur Wohnlageverbesserung von 57,8 000 Familien. Die Einführung von modernen Informations- und Kommunikationstechniken hat die Lebensqualität im Großen und Ganzen erhöht. Neben den Modernisierungsprozessen hat man die fortführende Pflege der tibetischen Kultur und Tradition nicht vergessen. Herr Dr. Norbu Wangdan hat mit seinem Vortrag „The King Gesar Epic Tradition in Context of Tibetan Folklore Cultur“ die Gesar-Sagen und ihre heutige Entwicklung vorgestellt.

Das Gesar-Epos gehört zum Kern der tibetischen Kultur. Diese hauptsächlich mündlich tradierte Kunstform hat nicht nur eine große literarische Bedeutung, sondern spielt auch eine signifikante Rolle in der tibetischen Religion und kulturellen Identitätsbildung. Die Erhaltung und Förderung dieser Tradition in der heutigen Zeit ist deshalb eine wichtige Aufgabe. Im Jahr 2006 ist das Gesar-Epos in die Nationale Immaterielle Kulturerbenliste aufgenommen worden. Seit 2009 gehört das Gesar-Epos auch zum UNESCO-Welterbe. Herr Dr. Norbu Wangdan hat im Vortrag mehrere Schutzmaßnahmen gegen das Aussterben des Gesar-Epos vorgestellt wie z.B. ein Verschriftlichungsprojekt und die Gründung des Gesarsäger-Hauses.

Den Vorträgen folgte eine aktive F&A-Runde, so dass die ursprünglich für eineinhalb Stunden geplante Veranstaltung auf ca. drei Stunden verlängert wurde. Gefragt wurde z.B. nach der Einwanderung der Han-Chinesen nach Tibet. Unsere tibetischen Experten lassen verlauten, dass der Anteil der Han-Chinesen, die länger als ein halbes Jahr dort wohnen, nur ca. 6% der Gesamtbevölkerung im Tibetischen Autonomen Gebiet ausmacht.. Außerdem ist der Immobilienmarkt in Chengdu, der Hauptstadt von der Nachbarprovinz Sichuan, seit einigen Jahren sehr beliebt bei Tibetern. Laut einer Umfrage der Website www.chinatibetnews.com im Jahre 2010 haben mehr als 60% der Befragten der tibetischen Bevölkerung vor, in Chengdu eine Wohnung zu kaufen. Kritische Fragen wie z.B. die nach der Zugehörigkeit Tibets zu China wurden ebenfalls ausführlich beantwortet, nicht nur aus einer politischen, sondern auch aus einer historischen Perspektive gesehen. Ein systematischer Kontakt zwischen Zentralchina und dem Tibetischen Hochland entstand bereits in der Tang-Dynastie (618-907) durch zwei Eheschließungen zwischenbeiden Reichen. Während dieser Zeit wurden achtmal eine Allianz gebildet, deren Spuren auf dernoch heute vor dem Haupteingang des Jokhang-Klosters in Lhasa stehenden Tang-Tubo-Steintafel und Onkel-Neffen-Steintafel zu finden sind. 1271 wurde China von dem mongolischen Herrscher Khublai Khan erobert. Tibet war auch ein Teil von China in der Yuan-Dynastie. Diese Souveränität gegenüber Tibet hat sich trotz der Dynastiewechsel von Yuan über Ming nach Qing nicht geändert. Der Ehrentitel „Dalai Lama“ wurde erstmals offiziell bestätigt durch den Qing-Kaiser Shunzhi nach dem Besuch des 5. Dalai Lama in Beijing. Danach wurde der Titel jedem neuen Dalai Lama vom Kaiser verliehen. Nach der Xinhai-Revolution im Jahr 1911 gehörte Tibet zu den 22 Provinzen der Republik China. Nach der Gründung der Volksrepublik China wurde 1951 das „Abkommen der Zentralen Volksregierung und der tibetischen Lokalregierung über Maßnahmen zur friedlichen Befreiung Tibets“ in Beijing unterzeichnet. Aufgrund der Abschaffung der feudalen Leibeigenschaft gab es einen heftigen Kampf mit konservativen Feudalherren in Tibet. So entstand das Konzept vom„Unabhängigem Tibet“ mit der Unterstützung von Anti-China-Parteien.

Oben sind nur zwei von den vielen Fragen, die an dem Vortragsabend gestellt wurden, näher dargestellt. Drei Stunden waren anscheinend nicht ausreichend für das große Interesse an Tibet. Wir hoffen, bald wieder einen Vortag über das Thema Tibet veranstalten zu können und würden uns über eine interessante Diskussionsrunde sehr freuen.



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