logo
Konfuziusinstitute Nachrichten
Vortrag am Konfuzius-Institut Metropole Ruhr:
Wandel des chinesischen Wissenschaftsbildes am Beispiel der Astronomie und der Berechnung von Sonnenfinsternissen
07.Maerz.2013, Metropole Ruhr


Am 07. März begrüßte das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr den Sinologen Dr. Oliver Corff, der im Rahmen der vom Institut organisierten Veranstaltungsreihe „China im Wandel“ einen Vortrag hielt. In seinem Vortrag ging Dr. Corff der Frage nach, wie astronomische Erkenntnisse deutscher Missionare zur Vorhersage von Sonnenfinsternissen sich im 17. Jahrhundert am chinesischen Kaiserhof gegen konkurrierende Verfahren chinesischen und arabischen Ursprungs durchsetzten. Der damit in China schließlich verbundene Paradigmenwechsel führte auch bei der Erstellung chinesischer Wörterbücher zu erheblichen Umbrüchen und Ungereimtheiten, wie Corff an konkreten Beispielen zeigte. Zunächst folgte eine kurze Begrüßung durch Frau Dr. Senz, in der sie deutlich machte, dass neben hauptsachlich aktuellen Themen auch historische Themen behandelt werden um so viele interessante Aspekte Chinas abzudecken.


Zu Beginn seines Vortrages stellte Dr. Corff einen historischen Überblick dar. Nach der mongolischen Herrschaft (1279-1368) und der Ming-Dynastie (1368-1644) herrschte von 1644 bis 1911 die 1616 gegründete Mandschu-Dynastie. Die Mandschuren seien ein kleines Volk gewesen, weshalb sie den Zugriff auf den Beamtenapparat durch einen Staatsstreich ohne Blutvergießen vollzogen. Danach brachten sie zu besseren Kommunikation innerhalb des Beamtenapparats umfangreiche Wörterbücher heraus, welche nach Sachgebieten geordnet und die Sprachen Mandschu, Mongolisch, Tibetanisch und Turkmenisch beinhaltete.


Als Ausgangsproblem sah Dr. Corff die Tatsache, dass insbesondere bei Begriffen aus der Astronomie Ungereimtheiten in den Wörterbüchern vorhanden wären, welche sich z.B. bei den Übersetzungen der neun himmlischen Himmelskörpern, den „Navagraha“ und den Mondknoten, „Rahu“ und „Ketu“ zeigte und häufig in Ergänzungen und Fehlübersetzungen mündete. Warum also gab es die vielen Umgereimtheiten und Umbrüche bei der Erstellung der Wörterbücher? Dr. Corff sieht einen Grund mit der Einwanderung deutscher Missionare nach China im 17. Jahrhundert. So habe der Jesuit und Missionar Johann Schreck mit der korrekten Berechnung der Sonnenfinsternis am 21.06.1629 den Kaiserhof überzeugen können, dass seine westlichen Methoden den bis dahin vorhandenen chinesischen Methoden überlegen seien. Die westlichen Wissenschaftsmethoden und Techniken wurden nun von dem chinesischen Kaiser anerkannt und übernommen. Er verfasste mehrere naturwissenschaftliche und technische Bücher in chinesischer Sprache. Weitere Missionare und Gelehrte wie Adam Schall von Bell, der Lehrer und Astronom des Kaisers waren ebenfalls überaus erfolgreich. Sie wollten laut Dr. Corff nicht nur missionieren, sondern auch ihre Bildung weitergeben, aber auch China verstehen um so ihr Missionsziel den chinesischen Gastgebern auch interessanter zu machen. Sie beschäftigten jedoch auch mit Konfuzius und seinen Lehren. Dies führte jedoch dazu, dass die Jesuiten beim Vatikan auf Ablehnung stießen und dieser von China auch heute noch mit Argwohn betrachtet wird.

Ein interessantes Beispiel ist die von Johann Schreck verfasste „Abhandlung der Mechanik“ in der er das Heben von Lasten in verschiedenen Bildern erklärte. Anhand dieses Beispiels versuchte er die vielen Umbrüche in den chinesischen Wörterbüchern zu erklären. Zur Ungereimtheiten und Umbrüchen in den Wörterbüchern kam es laut Dr. Corff nämlich dazu, dass viele Veränderungen in ihrer Systematik nicht berücksichtigt wurden. Zusammenfassend lässt sich laut Dr. Corff sagen, dass die Lexikographie der Qing-Zeit die wissenschaftlichen Umbrüche der Neuzeit widerspiegeln. So habe in der chinesischen Astronomie seit der erfolgreichen Berechnung der Sonnenfinsternis durch Johann Schreck ein fundamentaler Paradigmenwechsel stattgefunden, da der Kaiser einen „Mandat des Himmels“ für sich beanspruchte und dementsprechend an einer korrekten Anwendung von Astronomie interessiert war.

Nach dem Abschluss des Vortrages bot Dr. Corff den Zuhörern die Möglichkeit, einige Fragen zu beantworten, welche sich hauptsächlich um aktuelle Entwicklungen drehten, da laut Dr. Corff diese viele Ähnlichkeiten zu den in seinem Vortrag geschilderten Paradigmenwechsel in der chinesischen Astronomie hätten. So spielen die Frage nach der nationalen Identität und Eigentümerschaft von Wissen auch heute eine Rolle und lassen sich in der Unterteilung zwischen westlichen Innovationen, Re-Engineering und endogene (Selbstbeherrschte) Innovationen in der chinesischen Wissenschaft erkennen. Den Zuhörern nannte er in dieser Hinsicht einige kuriose und interessante Beispiele wie der eigene DVD Standard EVD und ein neuer Unicode-Standard, welcher nur in China gültig sei. Kritisch merkte Dr. Corff an, dass in China zwar eine positive Mentalität herrsche, „Dinge anzupacken“, diese aber in unsystematischen Entwicklungen münden und somit kurzfristige Lösungen statt langfristige Strategien im Vordergrund stehen würden. Als Beispiel nannte er hierbei Hochgeschwindigkeitszüge, welche zum Teil von Siemens und TGV hergestellt werden und durch den Einsatz verschiedener Technologien unnötige Kosten verursachen würden. Ein Zuhörer warf jedoch ein, dass die im Westen vorhandene 200 jährige Industrieentwicklung in China nicht möglich sei, weswegen das „chinesische“ schnelle Lernen von Vorteil sei. Im Anschluss der interessanten Diskussion sagte Dr. Corff, dass viele Chinesen sich mit dem Westen beschäftigen würden und er sich wünschen würde, dass wir uns auch mit demselben Enthusiasmus mit China beschäftigen.



Links